BFSG – das weckt Erinnerungen…
Als ich das erste Mal vom BFSG (Barrierefreiheitsstärkungsgesetz) und der Pflicht zur barrierefreien Website gehört habe, musste ich direkt daran denken, wie die DSGVO vor einigen Jahren unter uns Selbstständigen für Aufregung gesorgt hat – viele wussten nicht genau, was auf sie zukommt und was sie tun müssen. Ok, sind wir mal ehrlich: Das ist heute noch oft der Fall.
Auf jeden Fall war meine erste Reaktion „Oh nein, noch ein Gesetz, noch eine Pflicht, noch ein Punkt auf der To-do-Liste – noch mehr Hürden in der Selbstständigkeit“ Vielleicht ging’s dir ähnlich? Vor allem, wenn man solo-selbstständig ist oder gerade erst startet, können solche Themen schnell überfordern.
Deshalb möchte ich ein bisschen Licht ins Dunkel bringen bezüglich barrierefreie Website – und hoffentlich einigen die Angst nehmen, die das Thema mit sich bringt. Ich kann mir vorstellen, dass viele gar nicht so genau wissen, worum es dabei geht, ob sie betroffen sind, und was das alles jetzt konkret bedeutet. Ich möchte keine Panik machen, sondern aufklären und vielleicht auch ein bisschen motivieren, sich dem Thema Barrierefreiheit einfach mal zu nähern. Ohne Druck, aber mit Verantwortungsgefühl.
Vorab noch ein Hinweis: Ich bin keine Juristin und die Informationen, die ich hier teile, basieren auf meinen Recherchen und meinem Verständnis des Barrierefreiheitsstärkungsgesetzes (BFSG). Es handelt sich nicht um eine rechtliche Beratung. Bei Unsicherheiten oder spezifischen Fragen empfehle ich, rechtlichen Rat von einer Fachkraft einzuholen, um sicherzustellen, dass dein Unternehmen allen gesetzlichen Anforderungen entspricht.
Was ist das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz 2025?
Das sogenannte Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) wurde im Juli 2021 verabschiedet und tritt für die meisten Unternehmen ab dem 28. Juni 2025 in Kraft. Hintergrund ist eine EU-Richtlinie, die für mehr digitale Inklusion sorgen soll. Im Prinzip geht es einfach darum, dass digitale Produkte und Dienstleistungen auch für Menschen mit Einschränkungen nutzbar sein sollen – an sich also eine gute Sache.
Dabei geht es um Websites, auf denen man etwas kaufen kann, um Apps, mit denen man Bankgeschäfte erledigt oder um E-Books und Terminsysteme.
Das Ziel: Weniger digitale Hürden, mehr Zugang für alle.
Für wen gilt das Gesetz? Muss deine Website barrierefrei sein?
Und jetzt die große Frage, die sich wahrscheinlich viele stellen: Bin ich betroffen? Muss ich jetzt was tun?
Die gute Nachricht: Vermutlich nicht, wenn du in kleinem Rahmen solo-selbstständig bist und keine Mitarbeiter hast.
Die Pflicht zur Barrierefreiheit nach dem Barrierefreiheitsgesetz gilt nur, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Es reicht also nicht aus, einfach eine Website zu haben – es gibt klare Kriterien:
B2C oder B2B:
Das BFSG regelt die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen, die von Verbrauchern genutzt werden, was bedeutet:
– Dienstleistungen, die ausschließlich im Bereich B2B (Business to Business) angeboten werden, sind nicht vom BFSG betroffen.
– Dienstleistungen oder Produkte, die an B2C (Endverbraucher) gerichtet sind, könnten vom Gesetz betroffen sein.
– Öffentliche Stellen, die Dienstleistungen für die Allgemeinheit erbringen, sind in der Regel immer betroffen. Dazu gehören z. B. Ämter, städtische Behörden und ähnliche Einrichtungen.
Mitarbeiterzahl oder Umsatz:
– Du hast mehr als 10 Mitarbeitende oder
– Du machst mehr als 2 Millionen Euro Jahresumsatz
Es reicht, wenn eines der beiden Kriterien zutrifft. Das bedeutet, wenn du unter beiden Schwellenwerten liegst, also weniger als 10 Mitarbeiter und/oder maximal 2 Millionen Euro Jahresumsatz hast, bist du in der Regel nicht verpflichtet, deine Website barrierefrei zu gestalten.
Produkte und Dienstleistungen:
Im B2C Bereich gibt es bestimmte Produkte und Dienstleistungen, für welche die Websites und Apps grundsätzlich barrierefrei sein müssen. Dazu gehören:
Produkte: Computer, Notebooks, Tablets, Smartphones, Mobiltelefone, Selbstbedienungsterminals (z. B. Geldautomaten, Check-in-Automaten), Fernsehgeräte mit Internetzugang, E-Book-Lesegeräte, Router.
Dienstleistungen: Telekommunikationsdienste, E-Books, Mobilgeräte-Dienste (inkl. Apps) im überregionalen Personenverkehr, Bankdienstleistungen, Dienstleistungen im elektronischen Geschäftsverkehr, Personenbeförderungsdienste (z. B. interaktive Selbstbedienungsterminals für den Regionalverkehr).
Zusammenfassend heißt das: Wenn du z. B. eine Coaching-Website hast oder Yogastunden anbietest und unter den Schwellenwerten liegst, bist du in der Regel nicht verpflichtet, deine Website gesetzlich barrierefrei zu gestalten, wenn du nicht die genannten Produkte oder Dienstleistungen anbietest, die unter das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz fallen. Arbeitest du nur mit B2B Kunden, bist du ohnehin nicht betroffen.
Einen sehr übersichtlichen und verständlichen Überblick bietet, wie ich finde, auch die IHK München:
Ich persönlich finde das ehrlich gesagt auch sinnvoll so. Es würde wenig bringen, wenn plötzlich alle kleinen Einzelunternehmer panisch ihre Website komplett überarbeiten müssten – ohne Budget, ohne Know-how und am besten noch gestern.
Was bedeutet eigentlich digitale Barrierefreiheit?
Vielleicht denkst du bei Barrierefreiheit nur an Menschen mit Behinderungen, z.B. dass eine Website auch für blinde Menschen nutzbar sein sollte. Das war ehrlicherweise das erste, was mir zu dem Thema in den Kopf kam. Aber Barrierefreiheit bedeutet viel mehr.
Barrierefreiheit bedeutet, dass digitale Inhalte für möglichst viele Menschen ohne Einschränkungen nutzbar sind – also z. B. auch für:
– Menschen mit Seh-, Hör- oder motorischen Einschränkungen
– Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder Lernschwierigkeiten
– Menschen, die auf Hilfsmittel wie Screenreader oder Tastaturnavigation angewiesen sind
– Menschen, die empfindlich auf visuelle oder akustische Reizüberflutungen reagieren
Die Anforderungen an Barrierefreiheit basieren auf den Web Content Accessibility Guidelines 2.1 (WCAG 2.1), die als offizielle Richtlinien dienen. Auf dieser Website kannst du dich detailliert über die Anforderungen informieren:
Web Content Accessibility Guidelines 2.1 (WCAG 2.1)
Ein paar der wichtigsten Punkte, die dazugehören, sind:
– gute Farbkontraste
– Alt-Texte für Bilder
– eine klare Seitenstruktur
– Navigation über die Tastatur
– keine blinkenden oder flackernden Inhalte
– verständliche Sprache
Viele dieser Punkte erscheinen auf den ersten Blick logisch und sind einfach umzusetzen. Wenn du diese Grundsätze befolgst, hast du schon mal eine sehr gute Basis geschaffen, um deine Website barrierefrei und zugänglich für alle zu machen.
Das Schöne ist: Viele dieser Dinge verbessern nicht nur die Zugänglichkeit, sondern machen deine Website für alle angenehmer zu benutzen.
Hilfreiche Checkliste und Tools für Überprüfung und Umsetzung
Wenn du neugierig bist oder einfach mal checken möchtest, wie barrierefrei deine Website wirklich ist, gibt es einige hilfreiche Tools, die dir dabei helfen können – und das auch noch kostenlos:
WAVE: Gib einfach die URL deiner Website ein, und das Tool zeigt dir mögliche Barrierefreiheitsprobleme an, die du verbessern kannst.
axe DevTools für Chrome: Eine Erweiterung für deinen Chrome-Browser, die dir hilft, Barrierefreiheitsfehler zu finden und zu beheben.
whocanuse.com: Ein praktisches Tool, um Farbkontraste zu überprüfen. Es hilft dir sicherzustellen, dass deine Texte gut lesbar sind, auch für Menschen mit Sehbeeinträchtigungen.
Checkliste für barrierefreie Websites: Eine nützliche Checkliste, die dir eine detaillierte Übersicht gibt, was du für eine barrierefreie Website tun kannst.
Digiaccess: Ein externes Tool, das es dir ermöglicht, einen Button auf deiner Website einzufügen, über den Besucher die Möglichkeit haben, die Website selbstständig an ihre Bedürfnisse anzupassen. Dies kann beispielsweise Kontraste erhöhen, die Schriftgröße anpassen oder andere Einstellungen vornehmen, um die Zugänglichkeit zu verbessern.
Mit diesen Tools kannst du schnell sehen, wo es noch hakt und was du tun kannst, um deine Website barrierefreier zu gestalten – oft sind es nur kleine Dinge wie fehlende Alternativtexte oder unzureichende Kontraste. Aber Achtung: Tools zur Überprüfung stoßen auch an ihre Grenzen und können nicht alles testen. Solltest du zur Barrierefreiheit verpflichtet sein vom Gesetz, würde ich zu einer Prüfung durch Barrierefreiheits-Experten raten.
Welche Strafen drohen, wenn sich nicht an das Barrierefreiheitsgesetz gehalten wird?
Ab Juni 2025 können Verbraucher, Verbände oder Behörden Verstöße melden, und es kann zu Abmahnungen oder Bußgeldern kommen. Dazu, wie hoch diese Strafen ausfallen, habe ich noch keine Infos – das wird sich wie bei den DSGVO Verstößen vermutlich erst zeigen, wenn es soweit ist und die ersten Fälle bekannt werden. Am besten lässt man es nicht darauf ankommen, wenn man zur Umsetzung verpflichtet ist.
Warum eine barrierefreie Website auch ohne Pflicht sinnvoll ist
Was viele nicht wissen: Auch Google bewertet barrierefreie Seiten besser.
Ein paar Beispiele:
Strukturierte Inhalte: Eine klare und logische Struktur erleichtert Google das Crawlen deiner Seite, was sich positiv auf das Ranking auswirken kann.
Alternativtexte für Bilder: Nicht nur für Menschen mit Sehbehinderungen wichtig, sondern auch für die Bilder-SEO, da Google den Inhalt der Bilder besser verstehen kann.
Gute Lesbarkeit: Eine gut lesbare Seite mit ausreichend Kontrasten, klarer Sprache und Struktur führt zu längerer Verweildauer, was Google als positives Signal wertet.
Mobile Nutzbarkeit: Websites, die auf mobilen Geräten gut funktionieren, werden von Google höher eingestuft, da mobile Optimierung ein wichtiger Ranking-Faktor ist.
Das heißt: Selbst wenn du nicht zur Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben verpflichtet bist, kannst du mit Barrierefreiheit auch ganz pragmatisch punkten – in Sachen SEO, Nutzerfreundlichkeit und Vertrauen.
Wenn deine Website barrierefrei ist, erreichst du mehr potenzielle Kunden. Nicht nur Menschen ohne Einschränkung bei Nutzung des Internets können sich deine Angebote ansehen. Auch diejenigen, die auf Hilfsmittel wie Screenreader oder Tastaturnavigation angewiesen sind, finden es leichter, sich auf deiner Seite zurechtzufinden. Ebenso wird für Menschen mit kognitiven Einschränkungen oder Reizüberflutungen der besuch auf deiner Seite angenehmer, was die Zufriedenheit und Verweildauer steigern kann. Eine benutzerfreundliche Seite spricht nicht nur eine größere Zielgruppe an, sondern sorgt auch dafür, dass Besucher eher wiederkommen und deine Seite weiterempfehlen.
Fazit: Keine Panik, aber geh es an!
Ich finde, das Thema sollte kein Grund zur Panik sein. Außer vielleicht, man ist tatsächlich gesetzlich verpflichtet und hat eine Website, die absolut nicht barrierefrei ist – dann darf man jetzt vielleicht so langsam in Panik geraten (Spaß 😉 ).
Aber gerade als Selbstständige neigen wir ja oft dazu, Dinge vor uns herzuschieben, die wir nicht unbedingt machen müssen, die nicht direkt Geld bringen oder uns überfordern. Aber Barrierefreiheit ist mehr als nur eine gesetzliche Vorgabe, es ist eine Haltung. Und außerdem möchtest du ja vermutlich auch keine potenziellen Kunden ausschließen, nur weil sie deine Website aufgrund einer Barriere schlichtweg nicht nutzen können. Indem du deine Seite für alle zugänglich und nutzbar machst, eröffnest du dir neue Zielgruppen und bietest allen Menschen die Möglichkeit, von deinen Angeboten zu profitieren.
Du musst ja nicht direkt deine ganze Website umkrempeln, aber befass dich doch einfach mal ein bisschen näher mit dem Thema und starte mit den Basics. Nutz doch z.B. mal eins der hilfreichen Überprüfungs-Tools, die ich oben verlinkt habe. Nutze die Tools, um Probleme zu identifizieren und zu sehen, wie denn überhaupt der Ist-Zustand deiner Website ist. Vielleicht geht es ja nur darum, manche Farben hinsichtlich der Kontraste anzupassen oder einige fehlende Alt-Texte zu ergänzen, dass die Seite grundsätzliche schon mal gut zugänglich ist.